part 62
*
Die Mechaniker, die Ser Arris abkommandiert hatte, um die Bladejäger zu montieren, hatten ihre Arbeit kurz nach Drakes kleiner Überraschungsgala begonnen und räumten bereits die ersten Container aus.
Drake stand zusammen mit Manley etwas abseits vom Geschehen. Die Agentin interessierte sich hauptsächlich für die technischen Aspekte der neuen Jäger, wohl auch mit dem Hintergedanken, dass diese Maschinen, die ja eigentlich Feinde der CIS darstellten, noch nie von einem Mitglied des Geheimdienstes untersucht worden waren.
Drake schien das aber relativ egal zu sein. Manley wollte Fakten – Manley bekam Fakten. Es würde ohnehin eine Ewigkeit dauern, einen wirksamen Schutz, sprich einen Jäger zu konstruieren, der es mit der Blade aufnehmen konnte. Und die CIS hinkte dem Clan von Ser Arris sowieso um einige Jahre hinterher. Deacan und Dawson richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Mechaniker.
»Wieso habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache?«
Dawson richtete einen fragenden und unsicher wirkenden Blick auf den Privateer. Der schien diesen zu spüren.
»Das geht mir nicht anders, das kann ich guten Herzens versichern. Aber es ist eine Chance. Vielleicht sogar unsere einzige.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Wir werden sehen. Zunächst einmal müssen wir warten bis Ricards aus dem Verkehr gezogen worden ist. Dann geht es weiter. Und erst dann wird sich zeigen, wer hier auf wessen Seite steht.«
Deacans Blick blieb weiterhin an dem Cockpit hängen, das gerade von einigen Leuten aus dem Container gezogen wurde. Im Geiste aber war er bereits einen großen Schritt weiter gegangen. Er griff zum MACS an seinem Mantelkragen, das Gerät signalisierte seine Bereitschaft durch ein leises Piepsen. »Computer, Kontakt zu Ser Daniel Remas herstellen, ID ...«
Erhielt kurz inne, nur langsam kam ihm die Identifikationsnummer seines Halbbruders wieder in den Sinn. »...ID 0987-RE-06. Folgende Nachricht senden: Hier ist Deacan, ich hätte da einen Job für dich. Nicht gerade einfache Arbeit, aber gut bezahlt. Wenn du Interesse hast, melde dich bei mir. Tron Übertragung Ende.«
Das Display des MACS wurde wieder dunkel. Dawson hatte die Aktion natürlich mitverfolgt.
»Daniel Remas? Ist das jemand, den man kennen sollte?« Ein müdes Lächeln flog über Deacans Gesicht.
»Besser nicht.«
Dawsons Neugier schien aber geweckt worden zu sein.
»Und wieso nicht? Ist das eine so zwielichtige Person?«
»Nicht unbedingt. Aber bei naher Verwandtschaft sollte der Spaß bekanntlich aufhören.«
Nahe Verwandtschaft? Dawson hätte gerne weiter nachgefragt, doch Deacan schenkte seine Aufmerksamkeit jetzt Manley, die soeben eine Nachricht auf ihrem MACS erhalten hatte. Und ihr Geschichtsausdruck ließ nichts Gutes erahnen. »Ärger, Manley?«
Die Agentin vermied den direkten Blickkontakt zu ihrem Gegenüber, sondern sie senkte sowohl Blick als auch Stimme.
»Es hat einen Zwischenfall in Ihrem Motel gegeben. Ser Parker ist tot. Ihre Freundin Chyna ist nur knapp mit dem Leben davongekommen.«
Stille. In Deacan stieg langsam Wut hoch.
»Ist sie verletzt?«
Manley schüttelte den Kopf.
»Nein, es geht ihr gut. Sie steht noch etwas unter Schock, aber das gibt sich wieder. Keine Sorge. Die Sicherheitskräfte haben sie ins hiesige Milizhospital gebracht, da ist sie erst einmal sicher. Vom Täter fehlt jede Spur, unsere Leute überwachen aber sämtliche Schiffe in den Docks.«
Manley gab ihr MACS an den Privateer weiter. »Hier, der vorläufige Bericht. Sie sollten das lesen.« Deacan nickte, er griff mit unsicherer Hand nach dem Gerät, dann ging er etwas zur Seite, blieb einige Meter von Manley und Dawson entfernt stehen. Drake schien ebenfalls alles mitgehört zu haben, obwohl sie abseits gestanden hatte. Mit langsamen Schritten kam sie auf Deacan zu und schien nach Worten zu suchen.
»Hab das gerade mitbekommen. Es tut mir leid.« Er versuchte ruhig zu bleiben.
»Etwas läuft hier falsch, Drake. Etwas läuft hier furchtbar falsch.« Drake legte ihre Hand auf seine Schulter.
»Ich hätte da einen Vorschlag, Ser Tron.«
»Und der wäre?« Drake zögerte einen Augenblick.
»Nicht hier.«
*
Das Hospital der CIS auf Serca sah genauso aus wie jenes auf Hades, auf dem Deacan vor einigen Tagen behandelt worden war.
Die gleiche widerliche Farbe der Wände, die gleiche geschmacklose Einrichtung der Räume. Geld schien die CIS hier wirklich nicht zu investieren.
Deacan hasste solche Orte. Alles wirkte so steril, so kalt und unwirklich. Der Privateer war nur mit Manley aufgebrochen, um nach Chyna zu sehen. Drake und Dawson blieben in den Frachtdocks und kümmerten sich weiterhin um die Montage der Jäger.
Auf den Weg zu Chynas Zimmer herrschte tiefes Schweigen. Manley wusste ehrlich gesagt nicht, über was oder wen sie mit Deacan reden sollte. Sie hatte allerdings unterwegs die Nachricht erhalten, dass Ser Hassan Erfolg mit der Organisation der Geschützplattformen vermelden konnte und gab dies an Deacan weiter.
Freuen konnte er sich nicht, er nickte nur kurz als Antwort auf die Meldung. Er suchte nach einer Erklärung für die Vorfälle in der letzten Zeit. Und nach einer Lösung, einem Weg aus dieser festgefahrenen Situation.
Der Eingang zu Chynas Zimmer wurde von Soldaten bewacht. Vier bewaffnete Männer standen hier, die schweren Blaster im Anschlag.
Selbst Manley musste sich ausweisen, ihre Waffe abgeben und sich durchsuchen lassen. Deacan erschien das ein wenig ungewöhnlich. Wollte Manley auf diese Art und Weise ihre absolute Loyalität zum Team unter Beweis stellen? Nicht, das Deacan daran zweifelte. Innerhalb der kurzen Zeitspanne, die er mit Sera Manley verbracht hatte, glaubte er in ihr eine Person gefunden zu haben, die nicht nur ehrlich sondern auch aufrichtig zu ihm war. Die Agentin war geradlinig in ihrer Einstellung, und sie redete so, wie ihr der Mund gewachsen war. Eine sympathische Person im Ganzen.
Nachdem Deacan ebenfalls die Prozedur des Abtastens nach Waffen per Hand und Scanner hinter sich gebracht hatte, wurden sie endlich ins Zimmer gelassen.
Chyna lag unter der Bettdecke, ihre Augen waren geschlossen.
Schlief sie? Der Söldner trat ans Bett heran. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung, sie schien zu wissen, wer ihr da einen Besuch abstattete.
»Ich hatte Angst.«
Sie öffnete die Augen, Deacan konnte sehen, dass Chyna den Tränen nahe war. Er setzte sich auf die Bettkante, strich mit der Hand über ihr Gesicht.
»Alles ist in Ordnung, Kleines.«
Manley blieb an der Tür stehen, sie fühlte sich im Augenblick wie das berühmte fünfte Rad am Wagen. Chyna versuchte sich wieder in den Griff zu bekommen.
»Ist etwas Wichtiges passiert?«
Galgenhumor. Sie versuchte auf diesem Wege zu verhindern, dass Deacan auf ihre Erlebnisse zu sprechen kam. Der verstand sofort.
»Drake hat uns neue Jäger organisiert, Kleines. Das sind echte Spitzenmodelle.« Chyna senkte den Blick.
»Dann können wir weiter machen, ja?«
Der Privateer nickte, er umarmte seine Partnerin.
»Wir machen weiter, Kleines. Nichts und Niemand kann uns aufhalten. Versprochen.«
Manley stand noch immer in der Tür, sie beobachtete still die Szenerie. Deacan löste sich langsam aus Chynas Armen, er stand auf und ging auf Manley zu. »Wie lange muss sie noch hier bleiben?«
Manley sah zuerst auf Chyna, dann richtete sie ihren Blick wieder auf Deacan.
»Ein oder zwei Tage sicher noch. Sie soll sich ein wenig ausruhen, etwas abschalten. Ein wenig Distanz zu den Ereignissen tut Ihr sicher gut«
»In diesen Räumen?«
»Zugegeben, hier sieht es nicht so aus wie auf einer Strandpromenade, aber es ist sicher hier.«
»Na dann...“
Er drehte sich wieder zu Chyna um und ging auf ihr Bett zu. »Kann ich dich allein lassen? Ist nur für ein paar Stunden. Ich hab da noch ein paar Dinge zu erledigen.«
Chyna nickte.
»Geh nur. Aber lass mir bitte Manley da, ja? Mit diesen Leuten hier kann man einfach nicht reden.«
»Einverstanden. Und sollte Manley dich ärgern, dann sag mir Bescheid.« Chyna mühte sich ein Lächeln ab. Deacan gab ihr einen flüchtigen Kuss, dann ging er zur Tür. »Passen Sie auf Chyna auf und sorgen Sie für etwas Unterhaltung.«
Manley holte tief Luft.
»Ich kann ja versuchen zu jonglieren. Oder einen Stepptanz aufführen. Oder was singen.«
»Nicht übertreiben. Sie sollen Chyna unterhalten, nicht sie quälen. Wie sagen Sie es doch immer so schön: man sieht sich. Bye.« Deacan warf noch einen letzten Blick ins Zimmer, dann verließ er den Raum. Manley blieb allein zurück. Sie sah auf Chyna und legte ein Lächeln auf.
»Also, was soll es sein? Klassischer Operngesang oder doch lieber eine kleine Tanzeinlage?« Chyna zog sich als Antwort ihre Bettdecke über den Kopf.
*
Zwei junge, liebreizende Damen hatten derweil ihr Hotel verlassen und den Grossteil des frühen Nachmittags damit verbracht, den Planeten auf der Suche nach Geschäften abzuklappern.
Allerdings hatte Serca bekannterweise nicht besonders viel in dieser Richtung zu bieten und dieser Umstand begann sich langsam aber sicher auf die Laune der beiden auszuwirken.
»Blöder Planet. Da ist Crius ja noch besser. Ich denke, wir sollten mal dem CCN-Terminal einen Besuch abstatten. Im Augenblick haben wir zwar genug Geld, aber wer weiß, was morgen ist.«
Teanna stimmte zu, sie schwenkte zusammen mit Ivy in die neue Richtung. Ihr Ziel lag in der Nähe des Raumhafens.
Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Die CCN-Terminals des Planeten waren in einem Tower nahe der Start- und Ladebahnen untergebracht, von hier aus konnte man den Grossteil des zentralen Raumhafens überblicken. Kein wirklich schöner Anblick, eher ein Trauerspiel. Außer ein paar alten Frachtern und einigen Jägern gab es nichts zu sehen. Ivy schaltete sich ins Terminal ein, ihr Interesse galt den üblichen Söldneraufträgen.
Sicher, sie hätte diese auch auf ihr MACS übertragen können, aber hier auf dem großen Display gab es wirklich alle Aufträge zu sehen, nicht nur jene, die gerade aktuell waren. Etliche Aufträge waren schon einige Wochen alt und trotzdem noch immer offen. In aller Regel handelte es sich dabei um Kopfgelder, die von der CIS oder der CCN auf einzelne Piraten ausgesetzt waren. Teanna sah Ivy über die Schulter.
»Na, was gefunden?«
»Nicht wirklich. Hier sind ein paar Frachter die Geleitschutz brauchen. Sichere Flugrichtung, Ziel ist Hephaestus. Ist nur sechs Sprünge von hier entfernt. Ärger ist minimal, eventuell ein paar Papago. Und wir wären nicht allein, es gibt einen weiteren Privateer, der mit dabei wäre.«
»Jemanden den wir kennen?«
Ivy schüttelte den Kopf.
»Nein, ist ein Werkspilot des Auftraggebers. Die Sache bringt uns zweitausendvierhundert Credits ein. Okay?« Teanna überlegte kurz.
»Na ja, ist zumindest ein Ticket weg von hier. Bestätige den Auftrag. Wann geht es los?«
»In vier Stunden, wir haben also noch etwas Zeit. Irgend eine Idee?«
»Mal überlegen. Wir sollten noch einmal beim Schiffshändler vorbei schauen, ich möchte ein paar bessere Raketen haben. Ich habe nämlich die Schnauze voll von Überraschungen aller Art.«
Ivy deaktivierte das Terminal.
»Na hoffentlich kriegen wir hier was für unser Geld.« Teanna gab ihrer Freundin plötzlich einen kleinen Schubs. Die reagierte ein wenig verärgert.
»Was soll das denn nun wieder? Hör auf damit, das ist Kinderkram, ja?«
Teanna verzog keine Miene, sie wies aber mit ihrer Hand in Richtung Landebahn.
»Sag mal, was denkst du: welcher Schiffstyp dürfte hier wohl ziemlich selten sein?« Ihre Freundin verstand nicht ganz.
»Wie meinst du das? Soll ich jetzt raten oder wie?«
Teanna schüttelte den Kopf.
»Nein, mal ernsthaft, okay?« Ivy dachte kurz nach, dann schien sie eine Wahl getroffen zu haben. Obgleich sie das Ganze als völlig idiotisch empfand.
»Na ja, Danrik und Freij. Beides sind ziemlich teure Modelle, die kann sich kein normaler Mensch leisten.« Teanna sah sie intensiv an, schien aber damit nicht so ganz einverstanden zu sein.
»Ivy, erinnerst du dich an unseren Landeanflug auf diesen Planeten?«
»Meinst du diesen abgedrehten Vollidioten, der uns abschießen wollte?«
»Die Kandidatin hat hundert Punkte. Es kann Zufall sein, aber da steht eine Maschine vom selben Typ.«
Eine Heretic?
Ivy lenkte ihren Blick in die von Teanna vorgegebene Richtung. Und in der Tat, rund vierzig Meter weit entfernt stand eine derartige Maschine vor einem verschlossenen Hangar. Ein Zufall? Teanna schien sich da nicht so ganz sicher zu sein. »Mit deiner Danrik und der Freij hast du im Prinzip ja Recht, aber das da ist ein weiterer sehr seltener Jäger. Oder etwa nicht?«
»Tut mir leid, aber ich habe doch tatsächlich im Moment die aktuellen Verkaufszahlen nicht im Kopf, liebste Teanna.«
Eine höchst sarkastische Bemerkung, Teanna schien sie aber überhört zu haben. Ivy wandte ihren Blick wieder vom Jäger ab. »Zufall. Sonst nichts. Komm jetzt, wir wollten noch ein paar Raketen kaufen, oder etwa nicht?«
Da Teanna dies wohl nicht so sah und ihren Blick nicht von der Heretic wenden wollte, ergriff die Hand ihrer Partnerin und zog sie zu sich heran. »Okay Teanna, jetzt sprich mir nach: ich leide nicht unter Verfolgungswahn, es geht mir gut und ich werde die gute Stimmung nicht in den Müll werfen.« Teanna sah sie an.
»Ja, schon gut, du hast ja Recht. Der Schiffshändler ist dort drüben. Gehen wir Geld ausgeben.«
*
Die Mechaniker, die Ser Arris abkommandiert hatte, um die Bladejäger zu montieren, hatten ihre Arbeit kurz nach Drakes kleiner Überraschungsgala begonnen und räumten bereits die ersten Container aus.
Drake stand zusammen mit Manley etwas abseits vom Geschehen. Die Agentin interessierte sich hauptsächlich für die technischen Aspekte der neuen Jäger, wohl auch mit dem Hintergedanken, dass diese Maschinen, die ja eigentlich Feinde der CIS darstellten, noch nie von einem Mitglied des Geheimdienstes untersucht worden waren.
Drake schien das aber relativ egal zu sein. Manley wollte Fakten – Manley bekam Fakten. Es würde ohnehin eine Ewigkeit dauern, einen wirksamen Schutz, sprich einen Jäger zu konstruieren, der es mit der Blade aufnehmen konnte. Und die CIS hinkte dem Clan von Ser Arris sowieso um einige Jahre hinterher. Deacan und Dawson richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Mechaniker.
»Wieso habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache?«
Dawson richtete einen fragenden und unsicher wirkenden Blick auf den Privateer. Der schien diesen zu spüren.
»Das geht mir nicht anders, das kann ich guten Herzens versichern. Aber es ist eine Chance. Vielleicht sogar unsere einzige.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Wir werden sehen. Zunächst einmal müssen wir warten bis Ricards aus dem Verkehr gezogen worden ist. Dann geht es weiter. Und erst dann wird sich zeigen, wer hier auf wessen Seite steht.«
Deacans Blick blieb weiterhin an dem Cockpit hängen, das gerade von einigen Leuten aus dem Container gezogen wurde. Im Geiste aber war er bereits einen großen Schritt weiter gegangen. Er griff zum MACS an seinem Mantelkragen, das Gerät signalisierte seine Bereitschaft durch ein leises Piepsen. »Computer, Kontakt zu Ser Daniel Remas herstellen, ID ...«
Erhielt kurz inne, nur langsam kam ihm die Identifikationsnummer seines Halbbruders wieder in den Sinn. »...ID 0987-RE-06. Folgende Nachricht senden: Hier ist Deacan, ich hätte da einen Job für dich. Nicht gerade einfache Arbeit, aber gut bezahlt. Wenn du Interesse hast, melde dich bei mir. Tron Übertragung Ende.«
Das Display des MACS wurde wieder dunkel. Dawson hatte die Aktion natürlich mitverfolgt.
»Daniel Remas? Ist das jemand, den man kennen sollte?« Ein müdes Lächeln flog über Deacans Gesicht.
»Besser nicht.«
Dawsons Neugier schien aber geweckt worden zu sein.
»Und wieso nicht? Ist das eine so zwielichtige Person?«
»Nicht unbedingt. Aber bei naher Verwandtschaft sollte der Spaß bekanntlich aufhören.«
Nahe Verwandtschaft? Dawson hätte gerne weiter nachgefragt, doch Deacan schenkte seine Aufmerksamkeit jetzt Manley, die soeben eine Nachricht auf ihrem MACS erhalten hatte. Und ihr Geschichtsausdruck ließ nichts Gutes erahnen. »Ärger, Manley?«
Die Agentin vermied den direkten Blickkontakt zu ihrem Gegenüber, sondern sie senkte sowohl Blick als auch Stimme.
»Es hat einen Zwischenfall in Ihrem Motel gegeben. Ser Parker ist tot. Ihre Freundin Chyna ist nur knapp mit dem Leben davongekommen.«
Stille. In Deacan stieg langsam Wut hoch.
»Ist sie verletzt?«
Manley schüttelte den Kopf.
»Nein, es geht ihr gut. Sie steht noch etwas unter Schock, aber das gibt sich wieder. Keine Sorge. Die Sicherheitskräfte haben sie ins hiesige Milizhospital gebracht, da ist sie erst einmal sicher. Vom Täter fehlt jede Spur, unsere Leute überwachen aber sämtliche Schiffe in den Docks.«
Manley gab ihr MACS an den Privateer weiter. »Hier, der vorläufige Bericht. Sie sollten das lesen.« Deacan nickte, er griff mit unsicherer Hand nach dem Gerät, dann ging er etwas zur Seite, blieb einige Meter von Manley und Dawson entfernt stehen. Drake schien ebenfalls alles mitgehört zu haben, obwohl sie abseits gestanden hatte. Mit langsamen Schritten kam sie auf Deacan zu und schien nach Worten zu suchen.
»Hab das gerade mitbekommen. Es tut mir leid.« Er versuchte ruhig zu bleiben.
»Etwas läuft hier falsch, Drake. Etwas läuft hier furchtbar falsch.« Drake legte ihre Hand auf seine Schulter.
»Ich hätte da einen Vorschlag, Ser Tron.«
»Und der wäre?« Drake zögerte einen Augenblick.
»Nicht hier.«
*
Das Hospital der CIS auf Serca sah genauso aus wie jenes auf Hades, auf dem Deacan vor einigen Tagen behandelt worden war.
Die gleiche widerliche Farbe der Wände, die gleiche geschmacklose Einrichtung der Räume. Geld schien die CIS hier wirklich nicht zu investieren.
Deacan hasste solche Orte. Alles wirkte so steril, so kalt und unwirklich. Der Privateer war nur mit Manley aufgebrochen, um nach Chyna zu sehen. Drake und Dawson blieben in den Frachtdocks und kümmerten sich weiterhin um die Montage der Jäger.
Auf den Weg zu Chynas Zimmer herrschte tiefes Schweigen. Manley wusste ehrlich gesagt nicht, über was oder wen sie mit Deacan reden sollte. Sie hatte allerdings unterwegs die Nachricht erhalten, dass Ser Hassan Erfolg mit der Organisation der Geschützplattformen vermelden konnte und gab dies an Deacan weiter.
Freuen konnte er sich nicht, er nickte nur kurz als Antwort auf die Meldung. Er suchte nach einer Erklärung für die Vorfälle in der letzten Zeit. Und nach einer Lösung, einem Weg aus dieser festgefahrenen Situation.
Der Eingang zu Chynas Zimmer wurde von Soldaten bewacht. Vier bewaffnete Männer standen hier, die schweren Blaster im Anschlag.
Selbst Manley musste sich ausweisen, ihre Waffe abgeben und sich durchsuchen lassen. Deacan erschien das ein wenig ungewöhnlich. Wollte Manley auf diese Art und Weise ihre absolute Loyalität zum Team unter Beweis stellen? Nicht, das Deacan daran zweifelte. Innerhalb der kurzen Zeitspanne, die er mit Sera Manley verbracht hatte, glaubte er in ihr eine Person gefunden zu haben, die nicht nur ehrlich sondern auch aufrichtig zu ihm war. Die Agentin war geradlinig in ihrer Einstellung, und sie redete so, wie ihr der Mund gewachsen war. Eine sympathische Person im Ganzen.
Nachdem Deacan ebenfalls die Prozedur des Abtastens nach Waffen per Hand und Scanner hinter sich gebracht hatte, wurden sie endlich ins Zimmer gelassen.
Chyna lag unter der Bettdecke, ihre Augen waren geschlossen.
Schlief sie? Der Söldner trat ans Bett heran. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung, sie schien zu wissen, wer ihr da einen Besuch abstattete.
»Ich hatte Angst.«
Sie öffnete die Augen, Deacan konnte sehen, dass Chyna den Tränen nahe war. Er setzte sich auf die Bettkante, strich mit der Hand über ihr Gesicht.
»Alles ist in Ordnung, Kleines.«
Manley blieb an der Tür stehen, sie fühlte sich im Augenblick wie das berühmte fünfte Rad am Wagen. Chyna versuchte sich wieder in den Griff zu bekommen.
»Ist etwas Wichtiges passiert?«
Galgenhumor. Sie versuchte auf diesem Wege zu verhindern, dass Deacan auf ihre Erlebnisse zu sprechen kam. Der verstand sofort.
»Drake hat uns neue Jäger organisiert, Kleines. Das sind echte Spitzenmodelle.« Chyna senkte den Blick.
»Dann können wir weiter machen, ja?«
Der Privateer nickte, er umarmte seine Partnerin.
»Wir machen weiter, Kleines. Nichts und Niemand kann uns aufhalten. Versprochen.«
Manley stand noch immer in der Tür, sie beobachtete still die Szenerie. Deacan löste sich langsam aus Chynas Armen, er stand auf und ging auf Manley zu. »Wie lange muss sie noch hier bleiben?«
Manley sah zuerst auf Chyna, dann richtete sie ihren Blick wieder auf Deacan.
»Ein oder zwei Tage sicher noch. Sie soll sich ein wenig ausruhen, etwas abschalten. Ein wenig Distanz zu den Ereignissen tut Ihr sicher gut«
»In diesen Räumen?«
»Zugegeben, hier sieht es nicht so aus wie auf einer Strandpromenade, aber es ist sicher hier.«
»Na dann...“
Er drehte sich wieder zu Chyna um und ging auf ihr Bett zu. »Kann ich dich allein lassen? Ist nur für ein paar Stunden. Ich hab da noch ein paar Dinge zu erledigen.«
Chyna nickte.
»Geh nur. Aber lass mir bitte Manley da, ja? Mit diesen Leuten hier kann man einfach nicht reden.«
»Einverstanden. Und sollte Manley dich ärgern, dann sag mir Bescheid.« Chyna mühte sich ein Lächeln ab. Deacan gab ihr einen flüchtigen Kuss, dann ging er zur Tür. »Passen Sie auf Chyna auf und sorgen Sie für etwas Unterhaltung.«
Manley holte tief Luft.
»Ich kann ja versuchen zu jonglieren. Oder einen Stepptanz aufführen. Oder was singen.«
»Nicht übertreiben. Sie sollen Chyna unterhalten, nicht sie quälen. Wie sagen Sie es doch immer so schön: man sieht sich. Bye.« Deacan warf noch einen letzten Blick ins Zimmer, dann verließ er den Raum. Manley blieb allein zurück. Sie sah auf Chyna und legte ein Lächeln auf.
»Also, was soll es sein? Klassischer Operngesang oder doch lieber eine kleine Tanzeinlage?« Chyna zog sich als Antwort ihre Bettdecke über den Kopf.
*
Zwei junge, liebreizende Damen hatten derweil ihr Hotel verlassen und den Grossteil des frühen Nachmittags damit verbracht, den Planeten auf der Suche nach Geschäften abzuklappern.
Allerdings hatte Serca bekannterweise nicht besonders viel in dieser Richtung zu bieten und dieser Umstand begann sich langsam aber sicher auf die Laune der beiden auszuwirken.
»Blöder Planet. Da ist Crius ja noch besser. Ich denke, wir sollten mal dem CCN-Terminal einen Besuch abstatten. Im Augenblick haben wir zwar genug Geld, aber wer weiß, was morgen ist.«
Teanna stimmte zu, sie schwenkte zusammen mit Ivy in die neue Richtung. Ihr Ziel lag in der Nähe des Raumhafens.
Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Die CCN-Terminals des Planeten waren in einem Tower nahe der Start- und Ladebahnen untergebracht, von hier aus konnte man den Grossteil des zentralen Raumhafens überblicken. Kein wirklich schöner Anblick, eher ein Trauerspiel. Außer ein paar alten Frachtern und einigen Jägern gab es nichts zu sehen. Ivy schaltete sich ins Terminal ein, ihr Interesse galt den üblichen Söldneraufträgen.
Sicher, sie hätte diese auch auf ihr MACS übertragen können, aber hier auf dem großen Display gab es wirklich alle Aufträge zu sehen, nicht nur jene, die gerade aktuell waren. Etliche Aufträge waren schon einige Wochen alt und trotzdem noch immer offen. In aller Regel handelte es sich dabei um Kopfgelder, die von der CIS oder der CCN auf einzelne Piraten ausgesetzt waren. Teanna sah Ivy über die Schulter.
»Na, was gefunden?«
»Nicht wirklich. Hier sind ein paar Frachter die Geleitschutz brauchen. Sichere Flugrichtung, Ziel ist Hephaestus. Ist nur sechs Sprünge von hier entfernt. Ärger ist minimal, eventuell ein paar Papago. Und wir wären nicht allein, es gibt einen weiteren Privateer, der mit dabei wäre.«
»Jemanden den wir kennen?«
Ivy schüttelte den Kopf.
»Nein, ist ein Werkspilot des Auftraggebers. Die Sache bringt uns zweitausendvierhundert Credits ein. Okay?« Teanna überlegte kurz.
»Na ja, ist zumindest ein Ticket weg von hier. Bestätige den Auftrag. Wann geht es los?«
»In vier Stunden, wir haben also noch etwas Zeit. Irgend eine Idee?«
»Mal überlegen. Wir sollten noch einmal beim Schiffshändler vorbei schauen, ich möchte ein paar bessere Raketen haben. Ich habe nämlich die Schnauze voll von Überraschungen aller Art.«
Ivy deaktivierte das Terminal.
»Na hoffentlich kriegen wir hier was für unser Geld.« Teanna gab ihrer Freundin plötzlich einen kleinen Schubs. Die reagierte ein wenig verärgert.
»Was soll das denn nun wieder? Hör auf damit, das ist Kinderkram, ja?«
Teanna verzog keine Miene, sie wies aber mit ihrer Hand in Richtung Landebahn.
»Sag mal, was denkst du: welcher Schiffstyp dürfte hier wohl ziemlich selten sein?« Ihre Freundin verstand nicht ganz.
»Wie meinst du das? Soll ich jetzt raten oder wie?«
Teanna schüttelte den Kopf.
»Nein, mal ernsthaft, okay?« Ivy dachte kurz nach, dann schien sie eine Wahl getroffen zu haben. Obgleich sie das Ganze als völlig idiotisch empfand.
»Na ja, Danrik und Freij. Beides sind ziemlich teure Modelle, die kann sich kein normaler Mensch leisten.« Teanna sah sie intensiv an, schien aber damit nicht so ganz einverstanden zu sein.
»Ivy, erinnerst du dich an unseren Landeanflug auf diesen Planeten?«
»Meinst du diesen abgedrehten Vollidioten, der uns abschießen wollte?«
»Die Kandidatin hat hundert Punkte. Es kann Zufall sein, aber da steht eine Maschine vom selben Typ.«
Eine Heretic?
Ivy lenkte ihren Blick in die von Teanna vorgegebene Richtung. Und in der Tat, rund vierzig Meter weit entfernt stand eine derartige Maschine vor einem verschlossenen Hangar. Ein Zufall? Teanna schien sich da nicht so ganz sicher zu sein. »Mit deiner Danrik und der Freij hast du im Prinzip ja Recht, aber das da ist ein weiterer sehr seltener Jäger. Oder etwa nicht?«
»Tut mir leid, aber ich habe doch tatsächlich im Moment die aktuellen Verkaufszahlen nicht im Kopf, liebste Teanna.«
Eine höchst sarkastische Bemerkung, Teanna schien sie aber überhört zu haben. Ivy wandte ihren Blick wieder vom Jäger ab. »Zufall. Sonst nichts. Komm jetzt, wir wollten noch ein paar Raketen kaufen, oder etwa nicht?«
Da Teanna dies wohl nicht so sah und ihren Blick nicht von der Heretic wenden wollte, ergriff die Hand ihrer Partnerin und zog sie zu sich heran. »Okay Teanna, jetzt sprich mir nach: ich leide nicht unter Verfolgungswahn, es geht mir gut und ich werde die gute Stimmung nicht in den Müll werfen.« Teanna sah sie an.
»Ja, schon gut, du hast ja Recht. Der Schiffshändler ist dort drüben. Gehen wir Geld ausgeben.«